Ist Ivermectin eine Behandlungsoption bei COVID?

Was erwartet Sie in diesem Artikel?

Ivermectin: bisheriger Einsatz

Ivermectin ist ein Medikament, das die meisten zur lokalen Therapie der Krätze (Skabies) kennen.

Ivermectin wirkt aber nicht nur gegen sogenannte Ektoparasiten (die sich auf der Haut befinden), sondern auch gegen Endoparasiten wie z.B. Fadenwürmer.

In der Tiermedizin wird es breit eingesetzt: Pferde und Kühe werden in vielen Ländern regelmäßig so “entwurmt”.

Ivermectin wurde zudem von Dr. Simon Yu (einem der Parasiten-Experten aus den USA) über 15 Jahre lang regelmäßig zur Therapie von Parasiten und anderen chronischen Erkrankungen beim Menschen eingesetzt. Leider ist Ivermectin in den USA mittlerweile unerschwinglich teuer, so musste Dr. Simon Yu auf andere Mittel ausweichen (zudem gab es Zulassungsbeschränkungen seitens der FDA).

Neben Dr. Retzek aus Vöcklabruck in Österreich habe auch ich Ivermectin wiederholt im off-lable-use bei Parasiten-Verdacht eingesetzt und kann eine sehr gute Verträglichkeit bestätigen.

In der Parasiten-Therapie ist der Trick eine Poly-Therapie: dabei kommen mindestens 3, manchmal 4 Antiparasitika gleichzeitig zum Einsatz. Vorher müssen die Ausscheidungsorgane (Leber, Niere) kontrolliert werden, Alkoholkonsum ist tabu. Eine Kontrolle der Blutwerte wird empfohlen.

Sind Viren Parasiten?

Parasiten sind Lebewesen, die in der Regel kleiner als ihr Wirt sind und dessen Ressourcen sie zur eigenen Vermehrung und zum Überleben ausnutzen. Der Wirt nimmt in vielen Fällen Schaden aus dieser “einseitigen” Beziehung.

Viren sind infektiöse Strukturen organischen Ursprungs, aber streng genommen keine Lebewesen. Wie Parasiten sind Viren aber auch absolut abhängig von einem Wirt, den sie infizieren können und dessen “Infrastruktur” sie zum Überleben und zur Vermehrung nutzen. Ohne einen Wirt können Viren sich nicht vermehren. 

Wegen der großen Ähnlichkeit werden Viren von einigen Forschern deshalb als obligat-intrazelluläre Parasiten eingestuft.

Australische Forscher stellen fest: Ivermectin wirkt gegen SARS-CoV-2

Im Juni 2020 weckte ein Artikel aus Australien mein Interesse. Darin legen die Forscher Leon Caly et al1 dar, dass Ivermectin die SARS-CoV-2-Vermehrung in vitro (d.h. im Labor, in der Petrischale) erfolgreich hemmen konnte.

Bereits nach 24 Stunden kam es zu einer Reduktion der Virus-RNA im Vergleich zur Vergleichsgruppe um 93%, nach 48 Stunden lag der Wert bereits bei 99,98%. Die für diesen Effekt eingesetzte Konzentration des Ivermectin lag bei 5 μM (Mikromolar = Konzentration eines Stoffes in einer Lösung). 

Die IC50 einer wirksamen Ivermectin Behandlung wurde auf ca. 2 μM beziffert.

IC50 steht für die Konzentration eines Medikamentes, bei der dieses einen Prozess (in diesem Fall die Virus-Vermehrung) um 50% hemmt.

Was spricht theoretisch gegen den Einsatz von Ivermectin?

So weit so gut, einige werden jetzt einwenden: der menschliche Körper ist keine Petrischale und dem stimme ich zu. Sehr häufig haben sich in-vitro-Ergebnisse in-vivo (am Lebenden) nicht reproduzieren lassen.

Schmith VD et al2 haben in einem Artikel konstatiert, dass die zugelassene Ivermectin-Dosis von 200 ug/kg KG nicht die ideale Dosis für eine COVID-Behandlung sei. 200 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht bedeuten bei einem 70 kg schweren Patienten 14 mg pro Tag. Selbst nach Gabe von 120 mg Ivermectin lag die errechnete Konzentration in der Lunge jedoch gerade bei 0,82 μM, optimal wäre ein Wert von 2 μM gewesen. 

Was können wir bezüglich Dosis und Applikation von Schafen lernen?

Während Schmith VD et al2 Ivermectin oral verabreichten, untersuchten Lespine A et al4 an Schafen, die subkutane Injektion (= unter die Haut) im Vgl. zur oralen Gabe und fanden u.a. heraus, dass die Konzentration in der Lunge nach subkutanter Gabe nach 2 Tagen um den Faktor 4,8 höher lag als nach oraler Gabe. 

Dies können wir erstmal im Hinterkopf behalten: die subkutane Gabe scheint einer oralen Gabe überlegen zu sein, zumindest was die Anreicherung in der Schafs-Lunge angeht.

Was spricht praktisch gegen den Einsatz von Ivermectin?

Sehr wenig. Selbst, wenn man akzeptiert, dass die orale Gabe von Ivermectin nur subtherapeutische Konzentrationen in der Lunge erzielt, bedeutet dies nicht, dass die Gabe von Ivermectin bei einer Lungenerkrankung unwirksam ist. 

In Ermangelung wirksamer Alternativen, sollten wir die Anwendung sicherer Arzneimittel in einem off-lable setting zumindest in Erwägung ziehen.

Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass eine ausreichend hohe Konzentration von Ivermectin im Darm und Plasma ausreicht, um die komplexe Zytokin-Kaskade und den Entzündungsprozess im Falle von COVID wirksam zu beeinflussen. 

Nicht überzeugt? Vielleicht nach dieser Arbeit: 

Den oben zitierten Studien zufolge wird Ivermectin zusammenfassend als wahrscheinlich nicht wirksam bei COVID eingestuft, vor allem wegen seiner zu geringen Anreicherung in der Lunge.

Im Gegensatz dazu berichten Kunst H et al5 in einer Studie, die sich mit verschiedenen Parasitären Lungenerkrankungen beschäftigen, dass Strongyloidiasis stercoralis (der sogenannte Zwergfadenwurm) zu folgenden Symptomen führt:

  • Exanthem (Hautausschlag)
  • pulmonalen (=Lungen) Symptomen wie Husten und Keuchen
  • Eosinophilie (= Vermehrung einer Subgruppe der weißen Blutkörperchen)
  • abdominellen Beschwerden mit Diarrhöen

Bezüglich der Therapie des Zwergfadenfurms schreiben die Autoren:

“Die Therapie mit Ivermectin ist in der Regel wirksam”. Bei schwereren Verläufen sei manchmal eine Wiederholung der Therapie notwendig. In der Regel reicht also eine Einmalbehandlung mit 200 ug/KG7 aus, um diese Parasitenerkrankung zu bekämpfen, die Darm und Lunge zugleich betrifft. 

Was schlussfolgern wir daraus?

Wie gut wird Ivermectin vertragen?

Sehr gut! Eine zugegebenermaßen kleine Studie von Guzzo CA et al3 zeigte, dass selbst die 10-fache zugelassene Dosis: 120 mg als Einmalgabe oder 60 mg drei mal pro Woche gut vertragen wurde und die Patienten, die Ivermectin in dieser Dosis erhielten nicht mehr Nebenwirkungen zeigten, als jene, die es nicht erhielten.

Mögliche Nebenwirkungen sind: Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Hautausschläge.

Wie sollte Ivermectin verabreicht werden?

Für den Menschen sind lediglich Ivermectin-Salben zur dermalen und Kapseln zur oralen Anwendung zugelassen.

Gibt es Erfahrungen mit der subkutanen Anwendung von Ivermectin am Menschen?

Ja! Chiodini PL et al6 haben in einem Heilversuch bei einem 48-jährigen Patienten mit einem fortgeschrittenen T-Zell-Lymphom (=bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems) Ivermectin mit Erfolg subkutan angewendet. Der Patient litt an einer Strongyloides-Infektion (Zwergfadenwurm) und hatte bereits einen Darmverschluss, dadurch wurden die oral verabreichten Mittel (Ivermectin, Albendazol) nicht resorbiert (= aufgenommen). Mangels Alternativen erhielt der Pat. nach Zustimmung über den off-lable-Einsatz 2 Mal pro Woche je 6 mg Ivermectin subkutan je Oberarm also 12 mg (2×0,6 ml von einer 10mg/ml-Lösung, die für Tiere zugelassen ist). Die Therapie wurde gut vertragen und die Infektion klang ab, der Pat. erlag im weiteren Verlauf leider seinem Lymphom.

Wirksam sind folglich bei Erkrankungen mit Lungenbeteiligung folgende Anwendungen von Ivermectin:

  • oral
  • subkutan (dafür nicht zugelassen, lediglich in der Veterinärmedizin)

Zu überlegen wäre noch, ob eine inhalative oder intravenöse Therapie mit Ivermectin Sinn machen würde. Dafür müssten entsprechende Zubereitungen zugelassen werden.

Behandlung einer COVID-Patientin mit Ivermectin

Ich persönlich habe Ivermectin bisher bei einer nachgewiesenen, symptomatischen COVID-Pat. eingesetzt. 

Die Pat. war im August 2020 als Besucherin aus den USA in Deutschland und 72 Jahre alt. Bis auf eine Schilddrüsen-Unterfunktion war die Patientin gesund und schlank (160 cm, 60 kg). Bei Ankunft in Deutschland begab sie sich in Quarantäne und erhielt 48 Std. später ein positives Testergebnis auf COVID-19 (PCR-Abstrich aus dem Rachenraum). Zu diesem Zeitpunkt nahm die Patientin Vitamin D und L-Thyroxin für die Schilddrüse ein.

Sie war symptomatisch: hatte in den vorangegangenen 7 Tagen 2 kg abgenommen, beklagte eine allgemeine Schwäche und hustete seit 7 Tagen während des Sprechens immer wieder, was sich mitunter 1-2 Mal pro Stunde zu Husten-Attacken mit Luftnot steigerte. Der Husten war trocken, Fieber beklagte sie nicht.

Insgesamt war der Allgemeinzustand nur leicht reduziert. 

Die Sauerstoffsättigung (peripher am Finger gemessen) betrug 96-98 % und war somit unauffällig. Über der Lunge ließ sich rechts unten mit dem Stethoskop ein Lederknarren auskultieren, was in der Regel für eine Pleuritis (Lungenfellentzündung spricht).

Welche Dosis von Ivermectin bietet sich bei einer COVID-Erkrankung an? Wie wurde Sie behandelt?

Sie erhielt die gleiche Ivermectin-Dosis, die ich zur Parasiten-Therapie wiederholt im off-lable-use eingesetzt habe (450-550 ug/kgKG/d, diese Tagesdosis wird auf 3 Einzeldosen aufgeteilt). Zudem erhielt sie Vitamin C und Zink oral (Wirksamkeitsnachweise bei viralen Erkrankungen nachzulesen bei Dr. Retzek).

Im Einzelnen erhielt sie über 10 Tage:

  • Ivermectin 3×12 mg = 36 mg/Tag (auf nüchternen Magen)
  • Vitamin C von pure 3×1,5 g = 4,5 g/Tag (nach dem Essen)
  • Zink von pure 1×25 mg (nach dem Essen)

Der weitere Verlauf des Falles gestaltete sich wie folgt:

  • An Tag 2 hörte sie auf zu husten (Der Husten kam an Tag 5 leicht zurück, verschwand aber am gleichen Tag.).
  • An Tag 5 war die Lunge auskultatorisch unauffällig.
  • An Tag 10 hatte sie ihr Ausgangsgewicht erreicht und die Schwäche war verschwunden.
  • An Tag 14 wurde sie negativ auf COVID getestet und reiste zurück in ihre Heimat (USA).
  • Auch 8 Wochen nach Symptombeginn beklagt sie keine Langzeitfolgen und kann sich wieder normal belasten (dazu gehören flotte Spaziergänge von 5-7 km/Tag).

Natürlich kann man aus einem Fall, bei dem auch andere Substanzen zum Einsatz kamen, nicht schlussfolgern, dass Ivermectin überhaupt etwas bewirkt hat. 

Randomisierte kontrollierte Studien sind meines Erachtens unwahrscheinlich, da Ivermectin verhältnismäßig günstig ist und monetäre Interessen die klinische Studienlandschaft maßgeblich beeinflussen.

Mangels wirksamer Alternativen sollten Ärzte empirisch handeln. Wir sollten nach Behandlungsmöglichkeiten suchen, die sicher, wirksam und erschwinglich sind. Dabei sollten wir uns stets vor Augen führen, dass unser nächster Patient ein Familienmitglied oder ein Freund sein könnte. 

Welche andere Therapieoptionen sind bei COVID sinnvoll?

Ich bin von einem integrativen, ganzheitlichen Ansatz überzeugt und würde ich in Zukunft außer Ivermectin folgende Dinge einsetzen:

  1. Vitamin D and Zink als Prophylaxe und Therapie
  2. Vitamin C oral als Prophylaxe und Therapie
  3. bei schweren Verläufen: intravenöse Hochdosis-Vitamin C-Therapie (30 bis 120 g) + Selen
  4. Infrafrot-Sauna als Prophylaxe und Therapie
  5. Symptom-orientierte Homöopathie
  6. Ozon-Eigenblutbehandlung: MAH (große Eigenblut-Ozon-Behandlung), 10-pass nach Dr. Lahodny oder optimalerweise: UVBI-Ozone Hochdosis-Ozon-Eigentblut-Behandlung mit extrakorporaler UV-Bestrahlung des Blutes. 

ZUSAMMENFASSUNG

Ozon und COVID

Die verschiedenen Formen der Ozon-Therapie werden Gegenstand eines anderen Beitrages sein. Hier vorweg schon einmal einige Quellen zur Ozon-Behandlung bei COVID:

  • Zheng Z, Dong M, Hu K. A preliminary evaluation on the efficacy of ozone therapy in the treatment of COVID-19. J Med Virol. 2020 May 21:10.1002/jmv.26040. doi: 10.1002/jmv.26040. Epub ahead of print. PMID: 32437014; PMCID: PMC7280732.
  • Fernández-Cuadros ME, Albaladejo-Florín MJ, Álava-Rabasa S, Usandizaga-Elio I, Martinez-Quintanilla Jimenez D, Peña-Lora D, Neira-Borrajo I, López-Muñoz MJ, Rodríguez-de-Cía J, Pérez-Moro OS. Effect of Rectal Ozone (O3) in Severe COVID-19 Pneumonia: Preliminary Results. SN Compr Clin Med. 2020 Aug 3:1-9. doi: 10.1007/s42399-020-00374-1. Epub ahead of print. PMID: 32838181; PMCID: PMC7397966.
  • Martínez-Sánchez G, Schwartz A, Donna VD. Potential Cytoprotective Activity of Ozone Therapy in SARS-CoV-2/COVID-19. Antioxidants (Basel). 2020 May 6;9(5):389. doi: 10.3390/antiox9050389. PMID: 32384798; PMCID: PMC7278582.

Disclaimer

Der Inhalt dieses Artikels spiegelt meine persönliche Meinung wider und entspricht nicht den medizinischen Leitlinien. Die Informationen dienen in keiner Weise als Ersatz für professionelle Beratungen, Diagnosen oder Behandlungen durch Ärztinnen. Genauso wenig dürfen die hier angebotenen Informationen als Grundlage für eine Selbstmedikation dienen. Bei Fragen oder Beschwerden wenden Sie sich an den Arzt Ihres Vertrauens.

Quellen

  1. Caly, L., Druce, J.D., Catton, M.G., Jans, D.A. & Wagstaff, K.M. The FDA-approved drug ivermectin inhibits the replication of  SARS-CoV-2 in vitro. Antiviral Res. 178, 104787 (2020). Link URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32251768/
  2. Schmith VD, Zhou JJ, Lohmer LRL. The Approved Dose of Ivermectin Alone is not the Ideal Dose for the Treatment of COVID-19. Clin Pharmacol Ther. 2020 Oct;108(4):762-765. doi: 10.1002/cpt.1889. Epub 2020 Jun 7. PMID: 32378737; PMCID: PMC7267287. Link URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32378737/
  3. Guzzo CA, Furtek CI, Porras AG, Chen C, Tipping R, Clineschmidt CM, Sciberras DG, Hsieh JY, Lasseter KC. Safety, tolerability, and pharmacokinetics of escalating high doses of ivermectin in healthy adult subjects. J Clin Pharmacol. 2002 Oct;42(10):1122-33. doi: 10.1177/009127002401382731. PMID: 12362927. Link URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12362927/
  4. Lespine A, Alvinerie M, Sutra JF, Pors I, Chartier C. Influence of the route of administration on efficacy and tissue distribution of ivermectin in goat. Vet Parasitol. 2005 Mar 31;128(3-4):251-60. doi: 10.1016/j.vetpar.2004.11.028. Epub 2005 Jan 25. PMID: 15740862. Link URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15740862/
  5. Kunst H, Mack D, Kon OM, Banerjee AK, Chiodini P, Grant A. Parasitic infections of the lung: a guide for the respiratory physician. Thorax. 2011 Jun;66(6):528-36. doi: 10.1136/thx.2009.132217. Epub 2010 Sep 29. PMID: 20880867. Link URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20880867/+
  6. Chiodini PL, Reid AJ, Wiselka MJ, Firmin R, Foweraker J. Parenteral ivermectin in Strongyloides hyperinfection. Lancet. 2000 Jan 1;355(9197):43-4. doi: 10.1016/s0140-6736(99)02744-0. PMID: 10615895. Link URL: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30274442/+
  7. Richard D. Pearsonm MD, University of Virginia school of Medicine, Strongyloidiasis Link URL: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/infektionskrankheiten/nematoden-rundw%C3%BCrmer/strongyloidiasis

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